Die Klimakrise ist die existenzielle Krise überhaupt: Ein Gespräch mit dem Bündnis Klimastreik Darmstadt

Am Freitag haben sich wieder hunderte Menschen beim Klimastreik in Darmstadt versammelt, um für eine klimagerechtere Welt zu demonstrieren. Dabei ging es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um Menschenrechte und Kapitalismuskritik. Unser Autor Julius Tamm hat im Vorfeld mit zwei Vertreterinnen des Bündnisses über ihre Motivationen, Ziele und die Zukunft der Klimaschutzbewegung gesprochen.

Der Klimastreik Darmstadt am 25.03.2022 startete am Karolinenplatz

Alle Bilder in diesem Beitrag stammen von unserem Redakteur Julius Tamm.

Wandelbares Darmstadt: Wofür geht ihr beim Klimastreik auf die Straße? 

Katharina: Wir protestieren im Bündnis für eine klimagerechte Welt und den sofortigen Ausstieg aus den fossilen Energien Kohle, Gas und Öl. Wir fordern: Raus aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, hin zum Ausbau erneuerbarer Energien. Die Industriestaaten müssen endlich Verantwortung übernehmen.

Eva: Es reicht nicht aus, mehr Klimaschutz zu fordern, wir müssen diese Krise intersektional angehen. Wir kämpfen letztendlich für eine klimagerechtere Welt. Und es wird keine klimagerechte Welt geben so lange zum Beispiel Menschen im Mittelmeer ertrinken. 

Krieg, Pandemie, Inflation – wo bleibt bei so großen Krisen der Klimaschutz? 

Eva: Die Frage „Wo bleibt der Klimaschutz“ klingt für mich immer absurd, weil die Klimakrise die existenzielle Krise überhaupt ist. Dadurch werden alle Krisen, die wir jetzt schon haben, deutlich verstärkt: Durch die Klimakrise werden zum Beispiel noch mehr Menschen flüchten müssen und die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern wird zunehmen, weil cis-männliche Personen sich besser gegen die Klimakrise rüsten können, obwohl sie meistens mehr dafür verantwortlich sind. Manche sagen, es sei naiv, alles gleichzeitig zu betrachten. Ich denke, es wäre doch naiv, es nicht zusammen zu denken, denn es ist zweifellos miteinander verstrickt. 

Ihr fordert zum Beispiel aus den fossilen Brennstoffen mit sofortiger Wirkung auszusteigen, was die Energiepreise stark steigen ließe. Was würdet ihr einer geringverdienenden Familie sagen, die dadurch in ihrer Existenz bedroht wird? 

Katharina: Wichtig ist: Wir stellen unsere Forderungen an die Regierung. Dass es an Mitteln für die sozioökonomische Transformation fehle, ist eine Lüge. Was fehlt, ist politischer Wille. Das sehen wir daran, dass gerade über Spritpreisbremsen und Tankrabatte gesprochen wird. 

Eva: Diese Krise soll nicht auf dem Rücken von benachteiligten Menschen ausgetragen werden. Natürlich wird es Geld kosten, aber da ist die Unterstützung der Regierung gefragt. Wir sehen uns in dem Widerspruch, dass zum Beispiel 100 Milliarden Euro für Aufrüstung ausgegeben werden, aber es anscheinend kein Geld gibt, um effektiven Klimaschutz zu leisten. 

Gerade jetzt scheint die Welt manchmal den Bach runter zu gehen, aber ihr kämpft trotzdem weiter und geht auf die Straße – was motiviert euch? 

Eva: Es ist sehr erschütternd und es gibt die Momente, in denen ich mich ohnmächtig fühle und denke ‚Ja scheiße …‘. Aber wenn wir schauen, wo jetzt schon Menschen unter dieser Krise leiden, wegen ihr sterben und flüchten müssen, dann ist es keine Option für mich als privilegierter Mensch in einem privilegierten Land zu sagen, ich stecke den Kopf in den Sand und höre auf, alles zu geben. Und was mir auch Hoffnung gibt, sind die Menschen, die diesen Kampf mit mir gemeinsam kämpfen. Ich bin nie alleine.

Katharina: Ich empfinde ein großes Verantwortungsgefühl. Wenn wir hier jetzt nicht Zeit und Geld investieren und laut werden, wer dann? 

Die letzten zwei Jahre waren für uns alle ein Ausnahmezustand – wie hat sich eure Bewegung in der Zeit verändert? 

Eva: Corona hat uns in unserer Arbeitsweise krass beeinflusst. Das Gefühl, zusammen laut zu sein, wurde dadurch regelrecht zerfetzt und das hat einige unter uns hart strugglen lassen. Aber wir haben auch daraus gelernt und konnten uns durch technische Tools neu organisieren. Wir haben uns außerdem von den wöchentlichen Freitagsstreiks entfernt und sind eher bei akuten Themen auf der Straße wie gegen Querdenken oder im Bezug zum Dannenröder Wald. 

Und jetzt der Blick nach vorne: Wo wird es mit eurer Bewegung noch hingehen? 

Eva: Ich denke, dass der Protest mit Fridays for Future ein Wachrütteln möglich gemacht hat. Wir haben gesehen, dass wir etwas bewirken können, wenn wir gemeinsam unsere Stimmen erheben. In Darmstadt wird es damit auch weitergehen, darauf vertraue ich fest. Aber auch ich kann nicht in die Zukunft schauen. 

Katharina: Ich würde daran noch einen utopischen Gedanken anknüpfen: Ich hoffe, dass es nicht bei Fridays for Future bleibt, sondern sich hin zu einer „World for Future“ entwickelt und die Idee der Klimagerechtigkeit alle Menschen erreicht.

Unsere Gesprächspartnerinnen
Eva Ittmann macht gerade ihr Abitur, ist seit zwei Jahren bei Fridays for Future Darmstadt aktiv und hat mit uns in ihrer Rolle als Pressesprecherin des Bündnisses Klimastreik Darmstadt gesprochen. Katharina Allebrand lebt und studiert in Darmstadt und engagiert sich bei Seebrücke Darmstadt. Auch sie vertritt Klimastreik Darmstadt als Pressesprecherin.

Zum Bündnis Klimastreik Darmstadt gehören neben Fridays for Future Darmstadt und Seebrücke Darmstadt auch NavDem Darmstadt e.V., das Bündnis Feministischer Streik Darmstadt, DIE LINKE Darmstadt, Attac Darmstadt, Attacikka Darmstadt, die Linksjugend [‘solid] Darmstadt, die Jusos Darmstadt, die Hochschulgruppe Nachhaltigkeit, und Die Linke.SDS.

Menschen beim Klimastreik Darmstadt am 25.03.2022

warum warst du beim Klimastreik am 25.03.2022 dabei?

Colin: „Ich finde es fahrlässig, wie die Politik handelt – nicht nur klimatechnisch, sondern auch in der Ukraine.“

Fabiola: „Ich bin heute hier, um ein Zeichen zu setzen und nicht nur vor dem Schreibtisch still und heimlich etwas für den Klimawandel zu tun.“

Werner: „Ich bin aus Überzeugung hier. Wir brauchen einen Wandel bei Verkehr, bei unserem Verhalten und bei der Infrastruktur.“

Hans: „Ich habe mich schon vor vielen Jahren beruflich mit dem Thema beschäftigt und leider in allen Vorhersagen rechtbehalten.“

Inge: „Ich bin heute hier, weil der Klimaschutz mir ein großes Anliegen ist und ich sorge habe, dass er in der aktuell ganz schwierigen Situation untergeht.“

Hedruth: „Ich gehe auf die Straße, weil ich an meine Kinder und Enkelkinder denke. Ich möchte, dass sie auch noch eine gute Zukunft haben.“

Maria: „Ich habe zwei Enkel und möchte, dass es denen gut geht. Und ich möchte nicht, dass das Klima vergessen wird.“

Merle: „Ich bin heute auf der Straße für Frieden und fürs Klima, weil unsere Zukunft unverhandelbar ist.“

Warst du beim Klimastreik in Darmstadt dabei? Schreibe uns doch in die Kommentare, warum DU fürs Klima auf die Straße gehst!

Du willst mehr über die Initiative Fridays for Future erfahren? Unsere Autorin Alina Schmidt hat in diesem Artikel über die Klimabewegung geschrieben.
Auch über viele andere Darmstädter Initiativen haben wir bereits berichtet:

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