Sie sehen hübsch aus, bringen Farbe in unser Leben und bereiten uns meist sehr viel Freude: Pflanzen. Ob im Supermarkt, dem Gartencenter oder auf dem Weg zur Kasse im Möbelhaus, irgendwo nimmt man immer noch eine mit. Doch nicht jede Pflanze ist so grün und nachhaltig wie sie scheinen mag. Woran liegt das und können wir etwas an der Nachhaltigkeit der Pflanzen ändern?
Es liegt nicht an uns, es liegt an euch!
Biologische Lebensmittel und nachhaltige Kleidung sind bereits bei vielen ein Thema – doch nicht nachhaltige Pflanzen. Durchschnittlich gab jede:r Deutsche im Jahr 2019 rund 108 Euro für Blumen und Zierpflanzen aus. Kein Wunder, denn die Aufsteller direkt vor den Kassen, günstige Preise und saftig grüne Farben locken zu Spontankäufen. Die Zimmerpflanzen aus Supermärkten, Möbelhäusern und Gartencentern schonen zwar unseren Geldbeutel, doch meist leiden andere Faktoren unter solch niedrigen Preisen. Nicht selten kommt es vor, dass die eben ergatterten Schätze schon nach kurzer Zeit zu Hause eingehen. Dann muss eine neue Pflanze her.
Der Anbau
Um diese große Nachfrage zu bedienen, muss die große Masse an Grün zunächst einmal angebaut und geliefert werden. Der Anbau von Pflanzen verschlingt Unmengen an Wasser, benötigt viel Energie für die Gewächshäuser und produziert eine Menge Müll, der entsorgt werden muss. In vielen Ländern wird das Wasser für den Anbau aus nahegelegenen Seen oder anderen Grundwasserquellen entnommen. Hinzu kommen die großen Mengen an Pestiziden, welche oftmals mit dem Abwasser zurück in die Grundwasserquellen geleitet werden und das Grundwasser vergiften. Selbstverständlich trägt auch der See- oder Lufttransport seinen Teil zur CO2 -Bilanz bei. Der Anbau und Import fremder Pflanzen ist offensichtlich alles andere als nachhaltig. Noch dazu kann die Verwendung der umweltschädlichen Pestizide einer der Gründe sein, weshalb unsere Pflanzen zu Hause nicht überleben.
Der Umzug
“Die Pflanzen kommen direkt aus dem Gewächshaus. Wenn sie aus diesem wunderschönen, geschützten, warmen, feuchten Klima rauskommen und vielleicht noch zwischendrin doof gestanden sind, zum Beispiel beim Ausladen, dann haben die einen Schlag weg und Probleme, sich zu Hause zu akklimatisieren. Als Beispiel: auch Bio-Kräuter kommen in der Regel aus dem Gewächshaus. Und wenn wir die draußen – wir haben hier nämlich kein Gewächshaus – an der Sonne ins Freie stellen, dann fallen die bei uns genauso zusammen, wie das bei Ihnen selbst zu Hause passiert. Die Pflanzen schaffen einfach diesen krassen Gegensatz zwischen dem schönen Glasdach und der plötzlichen Sonne nicht.”
– Frau Zahlauer, Gärtnerin in der Gartenzentrale Appel in Darmstadt
Mehr Freude mit nachhaltigen Bio-Pflanzen
Trotzdem kann zumindest einem Teil der Probleme von Zimmerpflanzen durch Bio-Qualität entgegengewirkt werden. Die Biosiegel sind dabei tendenziell ein Indiz für Nachhaltigkeit. Pflanzen mit einem solchen Siegel sind häufig weniger anfällig für Krankheiten und Schädlinge und gedeihen gut ohne chemische Spritz- und Düngemittel. Sie haben meist kräftigere Wurzeln und wachsen besser an. Obst und Gemüse aus ökologischem Saatgut sind auch darüber hinaus praktisch für Hobbygärtner:innen und -köch:innen, denn sie haben eine längere Ernteperiode und reifen nicht alle zur gleichen Zeit.
Bio-Zierpflanzen dürfen sich nur Pflanzen nennen, die aus einer zertifizierten Bio-Gärtnerei stammen. Solche Betriebe haben sich verpflichtet, innerhalb der Vorgaben der EU-Öko-Verordnung oder der noch enger gefassten Richtlinien der Anbauverbände zu produzieren.
Bio-Zierpflanzen sind daher frei von:
- chemischen Pflanzenschutzmitteln
- synthetischen Düngern
- Herbiziden
- Gentechnik
- chemischen Hemmstoffen, die Pflanzen künstlich klein und kompakt halten
Zusätzlich sind sie:
- umweltschonend produziert und transportiert worden
- in Erden mit geringem Torf-Anteil gewachsen (Vorsicht: die Erden sind also nicht immer torffrei, sondern meist nur torfreduziert! Oft wird der Torf auch durch Kokos ersetzt, welcher dann beispielsweise aus Sri Lanka kommt – ein Blick auf die Zusammensetzung schadet also nicht.)
Die Bioland-, Demeter- und Naturlandsiegel besitzen hierbei die strengsten Standards. Leider ist Bio im Pflanzenbereich noch kaum Thema. Die Sparte von Pflanzen im Biosortiment beträgt gerade einmal 1,7%, was auch erklärt, wieso die Bio-Auswahl in Baumärkten und Gärtnereien eher spärlich ausfällt. Noch dazu sind Bio-Pflanzen nicht zwangsläufig als solche gekennzeichnet. Das bestätigt auch Frau Zahlauer: “Noch muss der Kunde nachfragen und ganz ehrlich, er muss es dann auch glauben.” Appel Darmstadt wirbt nicht mit Bio, trotzdem verkaufen sie es. Nachfragen kann sich daher lohnen.
Ihr Pflanzenpass bitte!
Der Kauf von einheimischen oder regionalen Pflanzen kann natürlich ebenfalls zur Nachhaltigkeit des heimischen Grüns beitragen. Allerdings sind regionale Pflanzen noch nicht leicht zu erkennen: Oft finden sich bei Pflanzen, die in unserem Klima aufgezogen werden könnten, Ursprungsländer wie Dänemark, Italien oder Portugal. Vor allem die Pflanzen aus subtropischen und tropischen Ländern haben eine schlechte Umweltbilanz. Abgesehen von den langen Transportwegen gibt es in diesen Ländern einen großen Raubbau an Pflanzen; häufig sogar von Naturschutzfeldern. Deshalb ist es wichtig sich zu informieren, woher die Pflanze der Wahl stammt.
Zu finden ist immerhin ein Teil dieser Informationen auf dem Pflanzenpass. Alle “zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen”, die innerhalb der EU gehandelt oder in die EU eingeführt werden, benötigen solch einen Pflanzenpass. So wird bestätigt, dass die Pflanzen die pflanzenschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen, die innerhalb der EU gelten und die Rückverfolgbarkeit garantiert, sollte eine Untersuchung aufgrund einer Kontamination erforderlich sein.
Doch selbst wenn beim Herkunftsland Deutschland vermerkt ist, heißt das nicht, dass die Pflanze auch tatsächlich ihren Ursprung in Deutschland hat. Der Ländercode weist lediglich auf das Land hin, indem die Pflanze zuletzt gewachsen ist. Wo diese Pflanze kultiviert wurde oder woher der Steckling stammt, geht daraus nicht hervor. Die meisten Pflanzen werden trotzdem über Holland und Spanien nach Europa gebracht und anschließend nach Deutschland verschifft, um im Gewächshaus weiter zu wachsen.
Woher bekomme ich nachhaltige Pflanzen?
Onlinekauf und Adoption
Wird man weder in Gärtnereien noch in Baumärkten fündig, bieten sich noch andere Möglichkeiten an. Online gibt es eine Handvoll Händler, die der Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit schenken. Der individuelle Versand kann unter Umständen umweltfreundlicher sein, als wenn Pflanzen in großen Mengen zu Baumärkten & Co transportiert und dort dann wegen fehlender Abnehmer vernichtet werden.
- Bosque ist der erste klimaneutrale Pflanzenshop Deutschlands. Effiziente Liefertouren, recyclebare oder gänzlicher Verzicht von Verpackungsmaterialien drosseln ihren eigenen CO2-Fußabdruck auf ein Minimum. Die Pflanzen leben länger dank einer nachhaltigen Zucht.
- Pasiora bietet sich hervorragend für alle Sukkulenten-Liebhaber:innen an. Bereits bei der Zucht im Gewächshaus wird auf möglichst wenig Wassserverschwendung geachtet und aufgefangenes Regenwasser benutzt. Der Versand erfolgt in recyclebaren Paketen und ungenutzte Flächen auf dem Anbaugelände werden für Bienenstöcke und Obst- und Blumenwiesen genutzt.
- Die bekannte Blumenkette Blumen 2000 bezieht nach Angaben von Fairtrade Deutschland ihr Topfpflanzensortiment vor allem von Gärtnereien aus der Region und achtet auf Umwelt- und Sozial-Zertifizierungen von Produzent:innenen, sowie nachhaltigen Anbau. Welche Pflanze nun wie großgezogen wurde, solltest du daher am besten nochmal vor Ort nachfragen.
- Eine weitere neue Möglichkeit ist die Pflanzenadoption bei Botanoadopt. Hier werden Pflanzen freigegeben, die nicht mehr bei ihren Besitzern bleiben können. Nach der Adoption musst du lediglich, in monatlichen Abständen, Bilder als Beweis deiner fürsorglichen Pflege schicken.
Vermehren und retten
Um lange Lieferwege zu vermeiden, bietet es sich an eigene Pflanzen zu vermehren. Aus den meisten Pflanzen können Ableger und Stecklinge gezogen werden. Weshalb also nicht aus einer Pflanze die du schon besitzt, mehrere machen? Wenn du mehr Vielfalt brauchst, kannst du sicherlich bei Freunden oder Familie nach Ablegern ihrer Pflanzen fragen. Tipps für Ableger, Stecklinge und richtiges Eintopfen findest du zu Genüge im Internet (unter anderem hier oder hier).
Wenn du einen grünen Daumen hast, kannst du versuchen Pflanzen zu retten. Hierfür lassen sich in den Grünabfällen von Friedhöfen, Gärtnereien und anderen Märkten kleine Schätze finden. Viele Friedhöfe haben neben der Wasserstelle eine “Entsorgungshaufen”, so musst du dich nicht durch den Müll wühlen. Ansonsten lässt es sich auch ganz einfach bei den Märkten oder Gärtnereien fragen, ob sie “Abfälle” haben. Wenn du Ideen brauchst, wie du vertrocknete Pflanzen retten kannst, schau hier vorbei.
Tauschen und verkaufen
Auf Ebay oder in Facebook-Gruppen werden Pflanzen zum Tauschen, Verkaufen oder gar Verschenken angeboten. Die “Pflanzen und Samen Tauschbörse” auf Facebook hat sich für Darmstadt etabliert. Doch auch andere Gruppen bieten deutschlandweit ihre Pflanzen und Ableger an – wenn man Glück hat, nicht weit von einem entfernt. Viele bieten auch an, ihre Pflanzen zu versenden. Dabei sollte man sich jedoch vorher überlegen, ob ein langer Lieferweg für die Pflanze und die Umwelt von Vorteil ist.
Bonus: Pflanzentöpfe! Alternativen aus Papier, gepressten Holz- oder Kokosfasern oder Essensresten sind zwar häufig als biologisch abbaubar ausgewiesen, aber nicht selten etwa mit erdölbasierenden Verbundstoffen produziert. Insgesamt also nicht unbedingt ökologisch nachhaltig! Keramiktöpfe, die über Jahre im Einsatz sind, sind auf alle Fälle besser als jeder Plastik- oder Metalltopf. Noch besser sind gebrauchte Pflanzentöpfe die online, auf Flohmärkten oder beim Sperrmüll verschenkt werden: Lebensdauer verlängert + Geld gespart!
Nachhaltige Pflanzen: Gefunden in Darmstadt!
Die Stadt Darmstadt hat bereits erkannt, dass Pflanzen einen wichtigen Teil zu unserer Umwelt beitragen und hat die grünen mobilen Zimmer aufgestellt. Auch einige Gärtnereien setzen sich für Nachhaltigkeit ein. Dazu gehören die Gartenzentrale Appel und die Initiative Essbares Darmstadt.
Im Ursprung war die Firma Appel ein rein biologischer Betrieb und anthroposophisch angehaucht. Vieles davon haben die Betreiber:innen versucht zu übernehmen: ihre selbst angebauten Pflanzen sind Bio-zertifiziert, was nicht weggeworfen wird, wird umgetopft und weiter kultiviert. Sogar der eigene Abfall wird kompostiert und auf den Äckern weiter verwendet. In einem Interview macht Frau Zahlauer deutlich, dass ein vielfältiges Bio-Sortiment an vielen Herausforderungen scheitert:
“Wir haben auch mal Bioland-zertifizierte Pflanzen angeboten. Hat sich aber herausgestellt, dass kein Mensch sich dafür interessiert, weil die Pflanzen nicht auf dem Teller landen. Obstbäume hingegen wären was gewesen, wo Kunden mehr Geld ausgegeben hätten. Aber leider war kein Lieferant in der Lage, unsere gewollte Qualität, in den Mengen wie wir sie brauchen, zu liefern. Es gibt tausende Obstsorten und jeder der in der Gartenzentrale aufschlägt, möchte eine neue Sorte Apfel oder eine noch abgedrehtere Pfirsichsorte. Da kommen die Bioanbauer nicht hinterher.
Noch dazu sind auf den Sorten zum Teil Lizenzen drauf, die eine Vermehrung verhindern. Dann hast du vielleicht doch einen Züchter – am anderen Ende der Welt – gefunden, hast eine Lieferung organisiert… wir brauchen aber jede Woche Nachschub. Das war dann einfach nicht zu realisieren und dann der lange Weg… ich hab auch ein ökologisches Interesse dran, dass ich nicht unnütz LKWs durch die Gegend schicke.”
Die mehr als dreißigjährige Erfahrung der Mitarbeiterin zeigt, dass sich Bio für die meisten Gärtnereien noch nicht lohnt. Deshalb müssen die Baumschulen und andere Bio-Anbieter nun im Internet verkaufen. Hier können sie ihre nötige Marge erzielen, so Frau Zahlauer.
Eine Sache liegt der Gärtnerin noch besonders am Herzen: Saisonalität.
Früher wurden die Pflanzen draußen im Freiland gezogen und nur im Herbst und im Frühjahr verkauft. Danach war es zum Roden zu warm. Heute gibt es die Pflanzen das ganze Jahr über im Topf. Sie sind 12 Monate im Jahr verfügbar und fast immer verpflanzbar. Das hat einen sehr hohen Preis: die Pflanzen stehen nicht mehr im Acker, sondern in einem Substrat im Plastiktopf, welches extra hergestellt wird. Gärtnereien brauchen eine Fläche, die gegen Unkraut versiegelt werden kann. Es muss viel gegossen werden, da die Topfpflanzen viel schneller austrocknen, als wenn sie im Erdreich sitzen würden. “Da dem Kunde im Juni einfällt, dass er seinen Garten machen möchte, produzieren wir bei 25/30 Grad Pflanzen, die einfach von der Herstellung her ungeheuer Ressourcenverbrauchend sind. Die sehen zwar schön aus und der Kunde hat auch gleich einen Garten, aber das macht eigentlich viel mehr ökologischen Schaden als das bisschen Torf oder die Bio-Arbeit.”
Doch es gibt auch gute Neuigkeiten: die Mitarbeiterin von Appel Darmstadt sieht den Trend Richtung Nachhaltigkeit immer stärker werden. “Da ist diese Geschichte mit torffreien Substrat, Recyclingtöpfe, dass unsere Zulieferer einen Wasserkreislauf haben oder auch, dass sie zertifiziert sind. Das ist uns wichtig und andere Betriebe orientieren sich auch am Trend.” Vor allem torffreie Erden seien ein sehr aktuelles Thema. Hochwertige Komposterde ist dabei eine nachhaltige Möglichkeit, die in vielen Kompostieranlagen angeboten wird (hier in der Kranichsteiner Kompostieranlage). Aber auch bei Saatgut scheint vermehrt auf Bio geachtet zu werden. Solches Bio-Saatgut bietet beispielsweise die Initiative Essbares Darmstadt an. Dabei setzen sie sich unter anderem für einen ökologischen und sozialen Umbau der Stadt ein. Wenn euch also die Idee einer essbaren Stadt neugierig macht, dann schaut doch mal auf ihrer Homepage vorbei.
…und Es liegt doch an uns
Eine völlig nachhaltige, klimaneutrale Pflanze zu finden – und dann auch noch genau die, die wir gerne hätten – ist (noch) nicht einfach. Für Gärtnereien eröffnet die Produktion von Bio-Zierpflanzen auf jeden Fall neue Wege. Kostenersparnis im Bereich Pflanzenschutz, weniger Ausfälle und stresstolerantere Pflanzen in hervorragender Qualität sind sicherlich die besten Argumente, um über eine ökologische Produktionsweise nachzudenken.
Allerdings liegt die Verantwortung auch in unseren Händen, den Pflanzenmarkt zu einem Umdenken zu bewegen. Eine erhöhte Nachfrage kurbelt die gewünschte Angebotsvielfalt an. Die Wertschätzung des Lebewesen Pflanze könnte uns durchaus ein paar Euro mehr wert sein. Darüber hinaus müssen wir nicht immer alles wegschmeißen, nur weil es keine Blüten mehr trägt. Und damit die Bio-Anbieter nicht auf Ladenhütern sitzen bleiben, könnten wir auch mal einem krummen oder schiefen Baum ein Zuhause schenken – Pflanzen haben nun mal genauso ihre Unvollkommenheiten wie wir.
“Das Äußere einer Pflanze ist nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit.”
Johann Wolfang von Goethe
Es ist mir wichtig, einen nachhaltigen Garten anzulegen. Es war mir bislang nicht bewusst, dass man auch mit dem Wasserverbrauch sorgfältig umgehen sollte. Am besten spreche mit einem Garten- und Landschaftsbau, um Weiteres zum Thema erfahren.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag! Wir haben Hanf-Zierpflanzen aus biologischem Anbau gekauft, da wir mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen möchten. Interessant zu lesen, dass es einen Pflanzenpass gibt. Danke für die Infos!